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01.01.2009 - Wiener

Das ORF-Loch

Millionen weg. Mitarbeiter weg. Mitleid weg. Hier ist die große wiener Rundfunkbeschimpfung. Serviert mit einer großen Portion Hoffnung. 16 prominente Medienmenschen sagen Generaldirektor Alexander Wrabetz, was passieren muss, damit ihm nicht noch mehr Seher davonlaufen.

"Ja, der ORF ist in einer sehr, sehr ernsten Situation." Sagen Danielle Spera, Eva Ziegler und Fritz Wendl, die drei vom Redakteursrat. Klar ist für das Trio auch: "Es ist eine breite öffentliche Diskussion über die Bedeutung, die Aufgaben und die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu führen." Damit das ORF-Loch nicht weiter Millionen - und damit verbunden natürlich auch Menschen - verschluckt. Hier ist sie, die Diskussion. 16 prominente Medienmenschen sagen im wiener, was am Küniglberg falsch läuft und was besser werden muss. Spannende und interessante Muntermach-Lektüre für Generaldirektor Alexander Wrabetz, serviert ganz nach wiener Art.

01 Claus Reitan, Chefredakteur "Die Furche": Bedeutung und Größe des ORF haben drei Gründe: technische Innovation, Sendemonopol, Gebühr. Dazu künstlerische und journalistische Leistungen. Das ist alles Geschichte. Was nun? Für den Versorgungs- und Programmauftrag samt Objektivitätsgebot erhält der ORF weiter Gebühren. Konzentration auf Information und gehobene Unterhaltung. Der ORF als Spiegelbild der Welt, der Gesellschaft und des Lebens. Unterhaltung und Sport für die Masse bleiben Sendern ohne Werbelimit überlassen. Fehlte diese, was in Krisen vorkommen soll, ist die Massenunterhaltung weg, aber die Qualität bleibt. Darauf kommt es an.

02 Karl Moik, Stadl-Pensionist: Ja mei, es geht bergab. Das hat nicht mit dem Wrabetz allein begonnen, das hat schon mit der Frau Lindner (Wrabetz-Vorgängerin Monika Lindner; Anm.) begonnen. Was man jetzt sieht, ist eine Katastrophe. Es ist einfach nichts mehr da, wo man sagen könnte, wow, das ist interessant. Es wär schön, mal wieder eine Komödie aus den Wiener Theatern zu sehen. Es gehört ein Programm her, wo eine Vielfalt drin ist. Jetzt ist das nur ein Einheitsbrei.

03 Franzobel, Schriftsteller ("Das Beuschelgeflecht"): Ich glaube, dass dem ORF der Geist von Unabhängigkeit und Freiheit fehlt. Man hat das Gefühl von Duckmäusertum und dass man ständig Angst hat, irgendwelche Sponsoren zu verlieren. Das muss in den 70ern und 80ern anders gewesen sein, wo man sich eindeutig mehr getraut hat. Seit das Privatfernsehen Druck macht, ist das wohl schwer geworden. In der Programmgestaltung ist nicht alles schlecht, ich bleibe beim Zappen immer wieder auch beim ORF hängen, finde aber, dass der Kultur- und Bildungsauftrag zu wenig erfüllt wird.

04 Dr. Paul Jankowitsch, Vorsitzender des Wirtschaftsforums der Führungskräfte und Vizerektor der TU Wien: Wenn schon am Mittwoch auf Ö 3 nur mehr das "Wochenendeee" ausgerufen wird, hat das mit Comedy nichts zu tun. Statt positive Stimmung zu machen, suggeriert man: "Arbeit und Leistung sind eigentlich blöd." Um unser Gebührengeld darf man anspruchsvollere, wirtschaftsfördernde Botschaften erwarten.

05 Gerhard Dörfler, Landeshauptmann von Kärnten: Der ORF erfüllt seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag derzeit nur im Informationsbereich. Besonders schlimm ist vieles, was unter dem Begriff "Kultur" gesendet wird. Wenn die zwei Kabarettisten Stermann und Grissemann über einen Verstorbenen (Jörg Haider; Anm.) und ein ganzes Bundesland (Kärnten; Anm.) herziehen, hat das mit Kultur nichts zu tun. Dass diese Sendung "Willkommen Österreich" heißt, ist eine weitere Verhöhnung.

06 Rupert Henning, Autor und Regisseur: Ich arbeite seit 20 Jahren für und mit dem ORF - den ORF gibt's für mich nicht, der ist keine Person. Es hängt immer von den leitenden Persönlichkeiten ab, wie kritisch, anspruchsvoll, unterhaltend das Programm sein darf. Als Teil des Systems - ich schreibe Drehbücher, drehe Filme, bin im Vorstand des Regieverbandes, in der Projektkommission des Österreichischen Filminstituts - wäre mir eine bessere, permanente Evaluierung wichtig, ob das, was an Mitteln da ist, auch für heimische Inhalte verwendet wird oder zum Teil in andere Kanäle fließt. Im Grunde muss das TV-Programm ein bunter heimischer Blumenstrauß sein, wo alles Platz haben soll: Spielfilme, Dokus, Satire, Volksmusik, Sport usw. Nur: Wenn das Kaufprogramm immer mehr wird, wird das Senderprofil austauschbar. Das ist wie bei einem Gemüsehändler: Wenn der seine Äpfel verkaufen will, darf er sie auch nicht hinten im Laden in einer Schublade verstecken.

07 Walter Gröbchen, Radiolegende und Musikmanager: Natürlich fällt einem als Konsument und Medienmensch so einiges auf. Abspeckpotenziale und Einsparmöglichkeiten liegen förmlich auf der Hand. Im ORF war es lange ein Tabu, sie auch nur anzudenken oder gar offen auszusprechen. Mir egal. Gehen wir der Reihe nach vor. TW1: Bisher hat mir kein Mensch erklären können, wofür man notorisch eine Frequenz mit einem Trash-, Randsport- und Nebelwetter-Sammelsurium besetzt hält. Landesstudios: Jeweils ein Stützpunkt im Osten, Westen, Norden, Süden reicht. Provinzkaisertum hat keine Zukunft. Die Formel-1-Übertragungen: sauteuer, langweilig, vollkommen unzeitgemäß. Bernie Ecclestone, go home!

08 Freda Meissner-Blau, Grünen-Gründerin: Ich würde mir vom ORF weniger Anbiederung an den Boulevard wünschen. Außerdem sehe ich wenig Eigeninitiative und ein zu bescheidenes Engagement für österreichische Künstler. Es gibt einfach kaum noch Hintergrundinfo, ich schau überhaupt nur noch arte und 3sat. Auch in der Politik fehlt weitgehend die Hintergrundberichterstattung, etwa bei EU-Fragen, wo das immer zur Lobeshymne wird. Das müsste viel ausgewogener und kritischer gebracht werden. Ich glaube, dass Wrabetz und Co die Leute unterschätzen, wenn sie glauben, alle wollen nur "Dancing Stars" sehen.

09 Kurt Palm, Autor und Regisseur: Seitdem das ORF-Programm mit jedem deutschen TV-Kanal austauschbar ist, schau ich ja - außer der Champions League - kaum noch fern. Das Wort Kanal passt in diesem Zusammenhang übrigens sehr gut, werden doch auch in Kanälen Abfälle und Exkremente entsorgt. Wirklich ärgerlich finde ich, wenn die ORF-Führung argumentiert, "die Leute wollen kein anderes Programm", weil das zeigt, dass der ORF die Gebührenzahler für ziemlich blöd hält. Wenn man sich das Hauptabendprogramm am Wochenende anschaut, wird man ja fast gezwungen, zu einem Buch zu greifen. Was ja gut ist, denn jedes noch so fade Buch ist spannender als das, was da geboten wird.

10 Franz Morak, Staatssekretär a. D.: Die Krise des ORF ist hausgemacht. Sie lässt sich auf einen klaren Nenner bringen: keine Führung, keine Strategie, keine Perspektive. Dadurch kommen alle zum Handkuss: das Publikum, das mehr Gebühren zahlen darf, dem aber massiv Programm gestrichen wird; die österreichische Filmwirtschaft und die Kreativen, die österreichischen Content liefern sollen, aber mangels Geld nicht dürfen; der öffentlich-rechtliche Gedanke, der hochwertiges und österreichisches Programm für alle sichern soll, aber im amerikanischen Seriensender ORF 1 bis zur Unkenntlichkeit weichgespült wurde. Die Krise ist die Chance, unseren ORF neu aufzustellen. Ihn schlank und wieder attraktiv zu machen. Klugen, objektiven Journalismus und junges Engagement zu fördern, statt durch teure Sonderverträge Günstlinge zu bedanken.

11 Harald Vilimsky, FPÖ-Generalsekretär: Das Management des ORF hat total versagt. Am Küniglberg regiert die Verschwendungssucht. Sogar bei Privatsendern ist der Informationsanteil höher als beim angeblich öffentlich-rechtlichen ORF. Keine Qualität, dafür die meisten Wiederholungen - diesem Treiben muss die Politik Einhalt gebieten. Ich bin deshalb für eine Abschaffung der ORF-Gebühren. An ihre Stelle soll eine allgemeine Medienförderung treten, die ähnlich wie bei der Presseförderung elektronische Medien fördert, die gewisse Qualitätsstandards einhalten.

12 Karlheinz Hackl, Schauspieler: Der ORF hat einen kulturpolitischen Auftrag zu erfüllen und muss effizient und wirtschaftlich arbeiten. Weniger ausländische Produktionen, mehr Qualität in die Unterhaltung! Weniger Quotendenken, mehr authentische Eigenproduktionen. Wir haben in der Unterhaltungsbranche (auch Film) großartige Leute, wir haben wertvolle gesellschaftliche Stoffe.

13 Helmut Thoma, Medienberater: Ich habe schon vor Jahren vorgeschlagen, ORF 1 zu privatisieren. Was da läuft, ist ja kein öffentlich-rechtliches Programm mehr. Es ist nicht schlechter, aber auch nicht besser als das, was kommerzielle Sender in Deutschland zeigen. Aber mit der Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Auftrags hat das nichts zu tun. Hätte man ORF 1 rechtzeitig privatisiert, wäre auch Geld für ein anständiges österreichisches Fernsehen da gewesen. Ich bin davon überzeugt, dass ein Programm mit einer wirklich österreichischen Identität funktionieren kann. Den ORF zu sanieren kommt für mich als Job nicht infrage. Ein Fußballtrainer würde ja auch nicht zuerst den FC Bayern von null zur Europaspitze bringen und dann zum FC St. Pölten wechseln.

14 Hubert Patterer, Chefredakteur "Kleine Zeitung", Graz: Was der ORF falsch macht? Dass er sich diese Frage erst jetzt stellt. Vor allem aber: hochwertige Programme erst mitten in der Nacht zu senden und bei populären Sendungen wie der Champions League zu sparen.

15 Christian Becker, Austropopper ("Beckermeister"): Ich denke, dass die Identität des eigenen Landes den ORF gegenüber anderen Sendern zu etwas Speziellem machen könnte. Gute Eigenproduktionen wären ein Rezept. Stattdessen wird man mit zugekauften Serien überschwemmt, deren Schmäh mit uns rein gar nichts zu tun hat. Die Jugendlichen, die Gebührenzahler der Zukunft, bekommen wenig auf sie zugeschnittene niveauvolle Inhalte geboten und schon gar keine Kultur vermittelt, die ein junges Publikum ansprechen könnte.

16 Peter Paul Skrepek, Musiker und Kabarettist: Ansprache des Lagerkommandanten: Männer und Frauen des Wachpersonals! Wir haben uns einer großen, einer gemeinsamen Aufgabe gestellt: der Umformung des Menschen zum Konsumenten. Wir wecken Bedürfnisse, die den meisten bisher fremd waren. Mithilfe der Massenmedien motivieren wir bereits Kleinkinder, ihre Eltern bei Kaufentscheidungen zu lenken. Jugendliche identifizieren sich mit Serienhelden aus den USA und halten Synchrondeutsch für unsere Muttersprache. Erwachsene vergessen den Alltag zwischen Hollywood und Rosamunde Pilcher. Unser Publikum hat längst vergessen, was Kultur einmal bedeutet hat. Die Mehrheit schaltet weg, wenn Kultur auch nur erwähnt wird. Das ist unser Verdienst. Das ist Demokratie! Ich danke ihnen.

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