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17.05.2006 - Armin Wolf

17.05.2006 - Armin Wolf

Das ist ja eine ziemlich komplizierte Sache: ein Preis, der von der Gewerkschaft verliehen, von einem Stromkonzern gestiftet und von einem Politiker übergeben wird – den kann man als Journalist ja eigentlich kaum annehmen. Wobei: Es wäre noch schwieriger, wenn der Politiker ihn bezahlen und der Stromkonzern ihn verleihen würde. Oder gar, wenn der Politiker den Preisträger aussucht – und die Gewerkschaft bezahlt. Dann gäb’s nämlich kein Preisgeld ...

Ich habe also sehr lange mit mir gerungen und dann hab ich mich entschlossen, den Preis doch anzunehmen. Wenn ich mich schon darum beworben habe ...

Nein, im Ernst. Ich freue mich natürlich riesig, weil Preise die von einer Jury erstklassiger Journalisten vergeben werden, einen ganz besonderen Stellenwert haben. Wer, wenn nicht besonders qualifizierte Kollegen, sollen journalistische Arbeit bewerten können. Dass Andreas Pfeifer darunter ist, der Preisträger des letzten Jahres, freut mich ganz besonders – er weiß, wie sehr ich ihn bewundere. Und am meisten freue ich mich, weil dieser Preis den Namen von Robert Hochner trägt, der für uns alle in der Zeit im Bild-Redaktion und im ORF noch immer in so vieler Hinsicht ein großes Vorbild ist: in seiner unnachahmlichen Mischung aus Kompetenz, Engagement, Urteilsfähigkeit, unbestechlicher Distanz, Witz, Charme, Menschlichkeit und Mut.

Bei solchen Gelegenheiten bedankt man sich natürlich: bei der Jury, wie mit zugetragen wurde, lauter Menschen mit hohem Urteilsvermögen und gutem Geschmack. Vor allem aber bei meinen Kollegen Claudia Fuhrmann, Bettina Tasser und Thomas Faustmann, ohne die ich die Sommergespräche 2005 – für die ich diesen Preis heute ja bekomme – nie hätte machen können. Sie waren die beste Redaktion, die ich mir wünschen konnte. Und danke auch an meine Vorgesetzten, die mich die Sommergespräche 2005 machen ließen. Das ist ja keineswegs selbstverständlich …

Wenn ich aber schon einen Preis bekomme, der in seinen Ausschreibungskriterien ausdrücklich eine „kritische Haltung gegenüber Machthabern aller Art“ voraussetzt – dann möchte ich diese Gelegenheit auch benützen, ein paar kritische Anmerkungen zu einem Thema zu machen, das mich und viele KollegInnen im ORF in diesen Wochen sehr beschäftigt.

Zitat: „Man hat ein Unternehmen zum Teil unter Kontrolle gekriegt, und zwar durch subtile Änderungen im nichtsichtbaren Bereich. Ist da tatsächlich eine neue Qualität? Geschimpft über solche Dinge ist beim ORF ja immer worden. Es ist in dieser Brutalität, glaube ich, neu.“

Das hat Robert Hochner gesagt – vor genau fünf Jahren in seinem letzten großen Interview mit dem FALTER, gefragt nach dem Einfluss der Politik im ORF.

Ist es seither besser geworden?

Ich glaube, Nein. Eher im Gegenteil.

Und das hat meiner Meinung nach zwei grundlegende Ursachen: Eine außerhalb des ORF und eine im Unternehmen selbst.

Die interne Ursache liegt in unserer gegenwärtigen Struktur: Wie die Informationsabteilung des ORF organisiert ist. Das mag auf den ersten Blick nicht so wichtig erscheinen, hat aber in der Praxis enorme Konsequenzen.

Mehr als zwei Drittel der Österreicher sagen ja, das Fernsehen sei für sie die wichtigste Informationsquelle über Politik. Und für etwa ebenso viele Menschen ist das Fernsehen auch das glaubwürdigste aller Medien. Aber in der Fernseh-Information über österreichische Politik, hat der ORF nach wie vor de facto ein Monopol. Natürlich nicht formal – aber in der Realität, weil die wenige politische Information über Österreich, die von der kommerziellen Konkurrenz angeboten wird, kaum Zuseher findet.

Weil Demokratie aber Meinungsvielfalt voraussetzt, ist ein Monopol in einem demokratiepolitisch so essentiellen Bereich nur durch eines zu rechtfertigen: durch maximalen inneren Pluralismus.

Und wie schaut es da in den letzten Jahren im ORF aus?

Wenn sämtliche Informationssendungen, von der 9-Uhr-ZIB bis zur ZIB 3, vom REPORT bis OFFEN GESAGT, von der PRESSESTUNDE bis THEMA, vom HOHEN HAUS bis zum WELTJOURNALeiner einzigen Person unterstehen, die von den O-Tönen in der ZIB 1 über die Studiogäste in der ZIB 2, von den Diskussions-teilnehmern in OFFEN GESAGT bis zur Themenauswahl im REPORT alles letztentscheiden kann, dann konzentriert dasextrem viel Macht in der Hand einer Person. Wenn diese Persondann jemand wäre, der diese Macht auch tatsächlich ausübt, dann könnte man ihm das gar nicht vorwerfen – so ist der ORF eben derzeit konstruiert.

Aber in funktionierenden demokratischen Systemen wird Macht üblicherweise so geregelt und verteilt, dass auch die maximale Auslegung von Kompetenzen nicht zu einer einseitigen Machtkonzentration führen kann.

Was die ORF-Information unbedingt braucht, ist redaktionelle und inhaltliche Pluralität. Und dafür braucht es, glaube ich, wieder unabhängige Sendungsredaktionen mit eigenen Redakteuren und Reportern und mit echten, tatsächlich entscheidungsbefugten Sendungsverantwortlichen, die nicht nur so heißen, sondern die auch tatsächlich verantwortlich sind und die nicht bei jedem Studiogast und jedem Diskussionsthema erst nachfragen müssen – sondern die miteinander in einem gesunden inhaltlichen und kreativen Wettbewerb stehen: um die relevanteren Geschichten, die besseren Recherchen, die spannenderen Gäste, die klügeren Analysen und die aufregenderen Gestaltungsformen. Schlicht: um die bestmögliche Information.

Nur durch einen solchen internen Wettbewerb und die daraus entstehende Vielfalt an Inhalten und Meinungen lässt sich in einer funktionierenden Demokratie ein Defacto-Monopol rechtfertigen.

Der zweite Grund für die Misere liegt außerhalb des ORF – und er ist im folgenden Zitat treffend zusammengefasst:

„Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik wurde der medienpolitische Machtanspruch so ungeniert artikuliert wie unter der ‚Wenderegierung’. [...] Der ORF wird als Besitz betrachtet, Politiker fühlen sich als Hausherren. [...] Eine neue Facette im System ist die Unverfrorenheit, mit der die politischen Parteien ihre Kandidaten aufstellen und bewerben.“

Das schreibt Heinrich Neisser, ein Intim-Kenner der österreichischen Politik (und kein Linksextremer), in einem Buch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das in wenigen Tagen erscheinen wird.[1]

Die nahezu hemmungslose Einflussnahme der Politik auf den ORF ist natürlich kein neues Phänomen – und immer wenn ein SPÖ-Politiker in den letzten Jahren lautstark die Unabhängigkeit des ORF und seiner Journalisten verteidigt hat, habe ich mich gefragt, ob da die kollektive Amnesie ausgebrochen ist. Danke, das war damals schon schlimm genug! Viel zu schlimm. (Und wir haben uns als Redakteure auch oft genug und auch öffentlich dagegen gewehrt).

Und trotzdem. Es gibt die Zeit vor dem Februar 2000 und es gibt die Zeit seither. Und das ist ein Unterschied.

Das hängt gar nicht notwendigerweise mit den handelnden Personen zusammen, glaube ich – sondern damit, dass es in Österreich viele Jahrzehnte lang eine permanente große Koalition gegeben hat: erst informell über eine fast allmächtige Sozialpartnerschaft und ab 1986 dann auch formell in der Regierung. Im ORF hat das für eine Art „Gleichgewicht des Schreckens“ gesorgt. Beide großen politischen Lager haben ihre Parteigänger promoviert. Und weil beide Großparteien einigermaßen große Personalreserven hatten, waren – gar nicht selten – auch sehr fähige Leute darunter. Und daneben auch noch kluge, unabhängige Journalisten, die oft gegen ihren Willen einem Lager zugerechnet wurden. Idealzustand war das natürlich auch keiner.

Aber seit der so genannten „Wende“, und ganz besonders seit 2002, ist es noch mal anders: Heute dominiert nur mehr ein politisches Lager.

Und vom Gleichgewicht ist nur mehr der Schrecken geblieben.

Die große Regierungspartei hatte dabei im ORF als primäres Anliegen, die „roten G’frieser“ (Sie erinnern sich: das war ein Zitat von Andreas Khol, für das er sich allerdings später entschuldigt hat.) vom Schirm zu räumen und die anderen wollten – endlich! – auch ihre Leute an die Schaltstellen hieven. Die hatten nur das Problem, dass hinten und vorn die Personalreserven fehlten.

Und vor ein paar Wochen habe ich in einem Magazin gelesen, dass sich die Regierungskoalition nun über eine „PaketLösung“, wie das so schön heißt, für die Besetzung der künftigen Spitzenfunktionen im ORF geeinigt hätte. Chefredakteur der ZIB-Redaktion soll demnach ein ehemaliger Chef der ÖVP-Pressestelle werden, Chef der ORF-Magazine ein ehemaliger Chefredakteur der FPÖ-Parteizeitung und „Aula“-Autor und ORF-Generalseketärin sollte, stand zu lesen, die engste Mitarbeiterin des Bundeskanzlers werden.

Das Erschreckende daran ist nicht einmal, ob diese Meldung tatsächlich der Realität entspricht. Das Erschreckende ist, dass sie im ORF heute nahezu jeder Journalist für realistisch hält.

Vor gut zwei Monaten hat mir ein prominenter Stiftungsrat, der einer Regierungspartei sehr nahe steht – ganz ungefragt – geklagt, wie riesig der politische Druck sei, bestimmte Personen in die nächste ORF-Führung zu bestellen. (Sie werden jetzt sagen: Wie ist das möglich? Der ORF ist doch entpolitisiert und die Stiftungsräte sind völlig unabhängig ... )

Aber weil diese Personal-Entscheidungen offenbar in diesen Wochen fallen und die Entwicklung des ORF in den nächsten fünf Jahren grundlegend bestimmen werden, möchte ich diese Gelegenheit zum Abschluss für einen Appell an diese 35 unabhängigen Stiftungsräte nützen:

Es könnte für ihre personellen Überlegungen doch eine ganz einfache Regel geben: Aufklärerischer, kritischer und spannender Journalismus, den wir uns doch alle für den ORF wünschen, braucht neben Kompetenz, Urteilsfähigkeit und Engagement vor allem eines: Unabhängigkeit und kritische Distanz.

Wenn sich also eine Partei – und zwar egal welche, das ist mir sehr wichtig! – ganz besonders für bestimmte Personen stark macht, dann sollte einen das grundsätzlich misstrauisch machen. Sehr misstrauisch sogar.

Für unabhängige und kritische Journalisten machen sich üblicherweise keine Politiker stark. Parteien wünschen sich normalerweise Parteigänger – nicht kritische Beobachter. Das ist zwar demokratiepolitisch kurzsichtig, aber leider – nicht nur österreichische – Realität.

Im ORF – diesem für den demokratischen Diskurs in Österreich wahrscheinlich wichtigsten Medium – arbeiten viele der kompetentesten und besten Journalistinnen und Journalisten des Landes. Sie sind unabhängig, unbequem und unberechenbar. (Einige davon sitzen heute unter Ihnen).

Bei der Entscheidung, wer im ORF in den nächsten Jahren führende Positionen einnehmen wird, sollte letztlich nur eine Überlegung wichtig sein:

Wer ist in der Lage, das beste, informativste, klügste, spannendste, vielfältigste und insgesamt aufregendste Programm zu machen?

Auch wenn sich die Parteisekretariate dieses Landes – alle Parteisekretariate! – jeden einzelnen Tag darüber ärgern.

Ein letztes Zitat: „Nichts hassen Politiker mehr als das Gefühl, dass an einer Stelle, die für sie aus irgendeinem Grunde wichtig sein könnte, einer sitzt, der in irgendeiner Form unberechenbar ist. [...] Denn kritischer Journalismus heißt in Wirklichkeit für sie: Feindbild. Na klar. Aus ihrer Sicht logisch. Sie machen den Käse, und wir bohren die Löcher hinein.“

Das hat Robert Hochner gesagt – im Mai 2001 in seinem letzten Interview.

Ganz in diesem Sinn – vielen herzlichen Dank für diese Auszeichnung!
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